Friday, 4 December 2009

auf/gezeichnet @ Galerie Konzett

auf / gezeichnet
Ausstellung in der Galerie Konzett / Wien
18. September bis 17. Oktober 2009

Fotografie und Zeichnung von: Horst Ademeit (D), Nobuyoshi Araki (J), Joseph Beuys (D), Johann Hauser (A), Hermann Nitsch (A) und Miroslav Tichy (CZ).
Fast 20 Jahre seines Lebens widmete sich Horst Ademeit (*1937) der fotografischen Dokumentation von „Kältestrahlen“, welche ihn und seine Umwelt beeinflussen und schädigen. Mit Hilfe der Fotografie sicherte er Beweismaterial und dokumentierte seine Forschungen. So sind Zeitung, Lebensmittel und Messgeräte wie Thermometer, Kompass und Uhr zu nummerierten Tagesfotos arrangiert, die mit handschriftlichen Aufzeichnungen wie Messwerten, Ortsangaben und atmosphärischen Beschreibungen versehen sind. Parallel dazu begann Ademeit, mit der Kamera seine Umgebung zu erkunden: die Wohnung, den Keller, die Nachbarhäuser, bis er schließlich das gesamte Stadtviertel nach Spuren der Strahlenbelastung absuchte. Ademeits Gesamtoeuvre beläuft sich auf mehrere tausend Polaroid- und Digitalfotos und hunderte ergänzende Textseiten. Entdeckt wurde sein Werk erst vor einem knappen Jahr: Nach Abschluss seiner Kältestrahlenrecherche 2007 übergab Ademeit, der in einem Düsseldorfer Seniorenheim lebt, seine Bilder und Aufzeichnungen einer Sozialabeiterin. Diese wandte sich an einen mit Art Brut vertrauten Psychiater, der wiederum Kontakt mit der Kölner Galerie Susanne Zander aufnahm, wo Anfang dieses Jahres die erste Einzelausstellung Ademeits stattfand.
Vor allem auf dem Kunstmarkt hat sich erst spät Respekt gegenüber der 1945 von Jean Dubuffet als „Art Brut“ bezeichneten Kunstrichtung entwickelt. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt die unter der Leitung des Psychiaters Leo Navratil arbeitenden Künstler der Nervenheilanstalt in Gugging (NÖ). Einer von ihnen ist Johann Hauser (*1926-1996), dessen Arbeiten Navratil als „zustandsgebundene Kunst“ bezeichnete. Eine Kunst, die gänzlich vom psychischen Zustand abhängig ist – einerseits vom Überschwang der manischen Periode, andererseits von einer totalen kreativen Abstinenz und Ideenleere während der depressiven Phase. Der Übergang zwischen den beiden Phasen vollzieht sich zumeist in graduellen Schüben, in denen sich Form und Farbgebung vereinfachen und bis zu äußerster Abstraktion führen. Von Anfang an verwendete Hauser stets nur Bleistift und Farbstifte. Er zeichnete zuerst die Konturen und füllte danach die Fläche aus. Dies geschah mit einer derartigen Intensität, dass die Bilder oft den Eindruck von Malereien erwecken. Ein weiterer „rehabilitierter“ Außenseiter ist Miroslav Tichy (*1926). Seine künstlerische Entdeckung beruht auf der von Harald Szeemann kuratierten Biennale von Sevilla 2004. Als Gegner des kommunistischen Regimes verbrachte der tschechische Künstler etliche Jahre im Gefängnis und in psychiatrischen Einrichtungen. Danach begann er, u.a. mit selbst gebauten Kameras aus alten Brillengläsern und Klopapierrollen, zu fotografieren, mit Vorliebe Frauen. Über Jahrzehnte hinweg hatte er die Maxime, täglich eine bestimmte Anzahl an Fotos zu machen, lange Zeit täglich 3 Filme à 36 Bilder, die er selbst entwickelte. Bromflecken, Fingerabdrücke, selbst bemalte Rahmen, manchmal auch auf den Fotografien nachgezeichnete Linien machen ein jedes zum Unikat. Auch Nobuyoshi Araki (* 1940) bearbeitet seine Fotografien zuweilen, als Reaktion auf die Zensur seiner Bilder. Da Fotolabors sich in den 70er-Jahren immer wieder weigerten, seine Bilder auszuarbeiten, griff Araki verstärkt auf das Medium Polaroid zurück. Wie Tichy sieht der, mit Bondage-Aufnahmen der „Kinbaku“-Serie berühmt gewordene Japaner in seinen Fotografien eine Hommage an die Frau. Während Tichy jedoch den Beobachter gibt, inszeniert Araki seine Aufnahmen stets perfekt. Er arbeitet ausschließlich mit asiatischen Models und betont, dass „Kinbaku“, die Kunst des Fesselns, auf Freiwilligkeit beruhe und eine Form von Liebkosung darstelle.
Weil Fotografie das ideale Dokumentationsmedium darstellt, ist sie mit performativer Kunst wie dem Wiener Aktionismus untrennbar verbunden. Weniger bekannt, weil sehr selten, sind die im Zuge von Aktionen entstandenen Zeichnungen, die Zeugnis des Ereignisses ablegen. Etwa montierte Hermann Nitsch (*1938) während seiner 16. Aktion („für Stan Brakhage“) 1965 Packpapierbahnen zu einer die ganze Atelierwand bedeckenden Fläche, die er mit Linien, pfeil- wie kreisförmigen Zeichen überzog und während der dreistündigen Performance, in deren Zentrum ein gekreuzigtes Lamm stand, mit Blut und Farbe bemalte und beschüttete. Joseph Beuys (*1921-1986) wiederum entwarf im Rahmen diverser Fluxus-Konzerte und Aktionen Skizzen wie „Sibirische Sinfonie“, ein Verweis auf ein eigen komponiertes Stück, das er während des ersten Fluxus-Festivals an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf 1963 zur Aufführung brachte. Organisiert wurde das Festival von Beuys, Nam June Paik und George Macunias, der die aus der Experimentalmusik abgeleitete Aktionskunst nach Europa vermittelt hatte. Die Zeichnung dient hier nicht zuletzt als Verweis auf eine epochenweisende Kunstrichtung.

No comments:

Post a Comment