KARL HANS JANKE, untitled, mixed media on paper, 30 x 41 cm |
Überraschende Sichtweise
Artikel (28.12.2013) von Florian Weiland erschienen auf www.suedkurier.de
"(...) Dass sich Gerhard Dammann als Psychologe besonders für Kunstwerke interessiert, die von Menschen mit psychischen Problemen gemalt wurden, passt ins Bild. Denn dass die Outsider Art, für die der französischen Künstler Jean Dubuffet auch den Namen „Art brut“ prägte, lange Zeit nahezu ausschließlich Psychiater interessierte, wird in der Ausstellung ausdrücklich thematisiert. In den psychiatrischen Anstalten wurde diese Kunst vor allem zu diagnostischen Zwecken gesammelt, glaubte man doch, in der Kunst Geisteskranker Hinweise auf bestimmte psychopathologische Merkmale zu entdecken. Eine der prominentesten Sammlungen baute der Heidelberger Mediziner Hans Prinzhorn auf. Fünf Bilder aus seiner Sammlung gelangten 2012 in den Besitz Dammanns.
Die Ausstellung in St. Gallen setzt unterschiedliche Schwerpunkte, die es erlauben, einen guten Überblick über die Vielseitigkeit der Außenseiterkunst zu gewinnen. Einem Block mit Arbeiten älterer, inzwischen verstorbener Künstler, die heute als Klassiker der „Art brut“ gelten, stehen aktuelle Beiträge gegenüber. Auch sie wurden von Menschen mit besonderen Lebensumständen geschaffen, wie etwa Michel Nedjar, der aus Lumpen, Plastiksäcken und einem Schuh eine eigenwillige Fetischfigur kreiert hat. Sie scheint verwandt zu sein mit den faszinierenden Gestalten, die der 2012 verstorbene Franz Huemer aus alten knorrigen Wurzeln geschnitzt hat. Akribisch und mit einem gehörigen Maß von Pedanterie geht Martin Erhard ans Werk. Auf mehreren zusammenhängenden Zeichnungen entwirft er eine fiktive, aber genau kartografierte Landschaft, durch die eine Eisenbahnlinie führt. Die Chinesin GUO Fengyi stellt ein rosafarbenes Engelswesen vor, das in Janko Domsics gelben Engel – eine Zeichnung mit Filzstift und Kugelschreiber – seinen Gegenpart findet.
Die Außenseiterkünstler konfrontieren uns immer wieder mit überraschenden Sichtweisen. Einige Arbeiten bestechen mit ihrem (pseudo)wissenschaftlichen Anspruch. So schildert Karl Hans Janke den „Werdegang der ersten Lebewesen“, während Jean Perdrizet Multiplikations- und Additionstafeln präsentiert. Das Prinzip der Wiederholung kennzeichnet die Beiträge mehrerer Künstler, die verschiedene Motive wie Grammophone, Reiter oder Bänke schier endlos aneinanderreihen. Jean Dubuffet schätzte die Ungezwungenheit der Außenseiterkünstler. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Eine oft höchst eigentümliche Welt, an der sie uns mit ihren Bildern teilhaben lassen. August Walla, ein Patient der bekannten psychiatrischen Klinik in Gugging, bastelt zum Beispiel einen „Zauberschlüssel“ aus buntem Dosenblech. Er soll, wie ein kleiner, handgeschriebener Zettel erklärt, das Tor zur Ewigkeit aufschließen und ihn als Talisman vor Unglück schützen."
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